Besuch aus dem „Sensor Valley“

Chinesische Gäste aus Zhengzhou und der Provinz Henan staunen über die „Endlos-Rolle“ und die beiden Rolle-zu-Rolle-Druckmaschinen in Heidelberg und Wiesloch.

„Wir haben Zugang zu den neuesten Technologien und zu den renommiertesten Wissenschaftlern“, sagte iL-Geschäftsführer Dr. Michael Kröger beim Besuch einer hochrangigen chinesischen Delegation, die das mittelständische Unternehmen vor Kurzem am Standort Heidelberg empfing. Die 16 Vertreter aus der Provinz Henan, der Millionenstadt Zhengzhou sowie der dort ansässigen Hanwei Electronics Group staunten nicht schlecht, als die „Endlos-Sensorenrolle“ namens Large-Area Connecting Device mit der die InnovationLab GmbH im März auf der Lopec 2023 in München einen Preis gewonnen hatte, von Michael Kröger und „Head of Printed Electronics“ Dr. Janusz Schinke ausgerollt wurde.

 

Interessiert an der „Endlos-Sensorenrolle“, mit der die iL den Preis bei der LOPEC gewann: Sun Shougang schaut genau hin. Bild: Maik Jarek/Behind Media Group
Interessiert an der „Endlos-Sensorenrolle“, mit der die iL den Preis bei der LOPEC gewann: Sun Shougang schaut genau hin. Bild: Maik Jarek/Behind Media Group

Michael Kröger: „Riesiges Potenzial für die iL und HPE“

Michael Kröger skizzierte gegenüber den Gästen grob den Weg der iL von der Forschungs- und Entwicklungsplattform bis hin zur Öffnung des Labors, zur Pilotproduktion und industriellen Produktion gemeinsam mit der Heidelberger Druckmaschinen AG. In einer Demonstration konnten die Besucher aus der östlichen Mitte Chinas die Hand auf eine Sensorfolie aus PET-Kunststoff auflegen, die Temperatur und Druck misst. Danach wurde ihnen die Rolle-zu-Rolle-Druckmaschine „Gallus RCS 330“ in den benachbarten, knapp 700 Quadratmeter großen Reinraumlaboren gezeigt. „Unsere Technologie ist in ’zig Branchen einsetzbar und birgt ein riesiges Potenzial für die iL und Heidelberg Printed Electronics“, so Michael Kröger zuversichtlich.

Die chinesische Gruppe zeigte sehr großes Interesse an der deutschen Technologie gedruckter Elektronik, fragte beispielsweise nach verwendeten Materialien, Geschwindigkeit und Automatisierungsgrad beim Drucken, und waren beindruckt vom geringen Ressourceneinsatz bei gleichzeitig hoher Produktionskapazität. Insbesondere die Fähigkeit Kupfer-Leiterbahnen kostengünstig und endlos lang in Rolle-zu-Rolle-Verfahren zu drucken hat die chinesischen Gäste sehr überrascht - werden doch heute bei der Herstellung von Leiterplatten Ätzverfahren und viele giftige Chemikalien eingesetzt.

Janusz Schinke: „Wir können maßgeschneidert drucken“

Fingerzeig vom Leiter gedruckte Elektronik: Dr. Janusz Schinke (hinten links) führt die Gäste aus China durch die Reinraumlabore. Bild: Maik Jarek/Behind Media Group
Fingerzeig vom Leiter gedruckte Elektronik: Dr. Janusz Schinke (hinten links) führt die Gäste aus China durch die Reinraumlabore. Bild: Maik Jarek/Behind Media Group

„Wir können sehr groß und maßgeschneidert drucken“, erklärte Janusz Schinke bei einer Führung, „und wir verkaufen mehrere Millionen Sensoren im Jahr.“ Der Besuch aus dem Reich der Mitte kam durch die Vermittlung der beiden China-Kenner Felix Kurz und Sieer Angar von der „Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft Metropolregion Rhein-Neckar (GDCF)“ zustande. Kurz bereist seit 2005 regelmäßig den bevölkerungsreichsten Staat in Ostasien, kennt und schätzt das wirtschaftliche Potenzial vieler großer Städte und dortiger Regionen, die kulturellen Highlights wie das Shaolin-Kloster unweit von Zhengzhou und vermag die Mentalität der Bewohner einzuordnen. „China ist meine zweite Heimat“, sagte Felix Kurz bei der Begrüßung im Brustton der Überzeugung.

Der Gedankenaustausch und mögliche Kooperationen standen bei den Delegationsmitgliedern im Vordergrund, die teilweise in Berlin und Düsseldorf, aber auch im europäischen Ausland (Frankreich, Luxemburg) unterwegs gewesen waren. In der Metropolregion besuchten sie im Rahmen ihres Zwei-Tages-Trips die InnovationLab GmbH in der Heidelberger Bahnstadt, aber eben auch weitläufige Produktionsstätten der Heidelberger Druckmaschinen AG in Wiesloch. Von beiden Rolle-zu-Rolle-Druckmaschinen, sowohl der etwas größeren „Gallus RCS 430“ in Wiesloch als auch dem etwas kleineren 330er-Exemplar in Heidelberg, die beide schneller, flexibler, materialschonender und nachhaltiger drucken können als ihre Marktkonkurrenten, waren die Gäste mehr als angetan.

Kein Wunder. Die 12,6 Millionen Einwohner zählende Provinzhauptstadt Zhengzhou und die zentralchinesische Provinz Henan (101 Millionen Einwohner) gilt als eine der am schnellsten entwickelten Regionen Chinas. Wichtigste Bausteine der dort angesiedelten Industrie sind Elektronik mit einem geschätzten Jahresumsatz von 600 Milliarden Euro, die Produktion von Elektroautos sowie die Herstellung von Haushaltsgeräten. Ein relevantes Thema ist darüber hinaus die Medizin, in Zhengzhou steht nämlich das größte Krankenhaus der Welt mit 18.000 Betten – eine unvorstellbare Dimension.

Rund 80 börsennotierte Unternehmen in Zhengzhou

Mittlerweile haben sich in Zhengzhou rund 80 teilweise börsennotierte Unternehmen angesiedelt, die Sensoren produzieren. Im so genannten „Sensor Valley“, begrifflich angelehnt an das legendäre „Silicon Valley“ in Kalifornien, findet seit 2018 der jährlich stattfindende „World Sensor Summit“ statt, mit namhaften Unternehmen vornehmlich aus China, aber eben mittlerweile auch vereinzelt aus den USA und Europa.

Nach drei Jahren Corona-Pandemie und einer staatlich rigide durchgeführten Isolation nehmen wieder die Wirtschaftsentwicklung in China und die internationalen Kontakte in verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen richtig Fahrt auf.

Dass sich derart viele Sensoren-Hersteller in Zhengzhou angesiedelt haben, ist alles andere als ein Zufall. Im Gegenteil: Die Metropole ist Verkehrsknotenpunkt, Handels- und Finanzzentrum, Messestadt und Ausgangspunkt für Netzwerk- und Communitybildung. Der Hochgeschwindigkeitszug erreicht im Umkreis von zwei Stunden 500 Millionen Menschen.

Südlich vom Gelben Fluss gelegen präsentiert sich Zhengzhou als ein Elektronikhotspot mit großen Automobilwerken (Nissan, Ytong, BYD) und anderen Konzernen. Allein der chinesische Batterie- und Fahrzeughersteller BYD verdoppelt jedes Jahr seine Produktion an diesem Standort. Jedes dritte in China neu zugelassene Auto ist in diesem Jahr ein E-Mobil. Von 1,82 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2022 sollen 2023 insgesamt über 3 Millionen E-Autos von den Bändern gehen. Elektronikunternehmen produzieren hier jährlich neben rund 200 Millionen Smartphones für Apple und andere -ebenso unzählige und unterschiedlichste elektronische Haushalts- und Prüfgeräte.

Für diese Branchen bietet die gedruckte Elektronik eine zukunftsträchtige Technologie. Sensoren sind das „Gold der Digitalisierung“, behaupten nicht nur die Chinesen, sondern weltweit Experten aus dieser boomenden Branche.

Einladung zum „World Sensors Summit“ erhalten

Konkretes Ergebnis der bilateralen Gespräche: Die iL und Heidelberg Printed Electronics (HPE) erhielten explizit Einladungen zum im Oktober geplanten „World Sensors Summit 2023“ in Zhengzhou. „Wir haben uns sehr darüber gefreut“, bilanzierte Michael Kröger, „auf dieser renommierten asiatischen Leitmesse werden wir mit einem Stand und Präsentationen vertreten sein.“

Beim Besuch der Delegation wurde klar, dass in China allseits eine große Gier nach Technologie vorherrscht, die Produkte schneller auf den Markt kommen und die Konsumenten in aller Regel offener für Neuerungen jedweder Art als in mitteleuropäischen Gefilden sind. „Hao“ sagen Chinesen kurz und knapp, wenn sie einverstanden sind. In Heidelberg und Wiesloch fiel das Wort gleich mehrfach.

 

Joachim Klaehn

Head of Communications