„Dieser Spirit und Lernprozess, das zählt“

iL-Alumni Ralph Eckstein

Im zweiten Teil unserer Alumni-Serie porträtieren wir den ehemaligen iL-Doktoranden Ralph Eckstein. Fünf Jahre lang, zwischen 2012 und 2017, betrieb der am 28. September 1984 in Karlsruhe geborene Eckstein Forschung am InnovationLab. Seine Doktorarbeit trägt den Titel „Aerosol Jet Printed Electronic Devices und Systems“ („Aerosol-Jet gedruckte elektronische Geräte und Systeme“). Ralph wurde seinerzeit von Professor Uli Lemmer, inzwischen Wissenschaftlicher Geschäftsführer bei iL, und vom damaligen Gruppenleiter Dr. Gerardo Hernandez-Sosa des Lichttechnischen Instituts des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), fachlich betreut. Seit November 2017 ist er für den weltweit größten Hersteller für Dentalprodukte und Dentaltechnik tätig. Dentsply Sirona befindet sich in Bensheim an der Bergstraße und ist mit seinem Muttersitz in Charlotte/North Carolina an der US-Börse notiert.

Für Ralph gibt es gleich zweifachen Grund für eine Stippvisite an der Speyerer Straße 4. Zum einen fand ein Grillfest anlässlich der erlangten Professur von Gerardo Hernandez-Sosa statt, zum anderen kommt  Ralph extra in die Bahnstadt, um sich über frühere iL-Zeiten und seine berufliche Vita auszutauschen.

Die Erinnerungen an die iL fallen überwiegend positiv aus. „Das war seinerzeit unglaublich toll mit den Clustern und diesen Universitätsteams“, berichtet Ralph mit einem dezenten, aber vielsagenden Schmunzeln im Gesicht, „wir haben uns immer gegenseitig ausgeholfen und auch mal gesagt, ,mach bitte Du die Messung für mich‘, zum Beispiel wenn es um Oberflächenanalysen oder Ergebnisse in der Rasterelektronenmikroskopie ging.“ Die interdisziplinäre Arbeitsatmosphäre sei eine Besonderheit gewesen, die jeder wertgeschätzt habe.

Der Kontakt zu iL und zum KIT besteht unverändert: Ralph Eckstein (l.) und sein ehemaliger wissenschaftlicher Betreuer Gerardo Hernandez-Sosa (r.) bei einem gemeinsamen Restaurantbesuch in der Bahnstadt. Bild: InnovationLab

Tür an Tür, Flur an Flur

Die Universitäten aus Karlsruhe, Braunschweig, Darmstadt, Heidelberg und Mannheim arbeiten und leben Tür an Tür, Flur an Flur nebeneinander und nutzen Labore wie Büroräume. Ein inspirierender Austausch findet statt. Zwangsläufig. „Es herrschte ein super Teamspirit, ein gutes Miteinander. Man betrachtete sich gegenseitig nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung“, lässt Ralph die Immer-noch-Anfangszeit der iL Revue passieren, „für diese Phase meines Lebens war das alles perfekt.“ Klar, dass man auch zusammen feiert. Ralph ist damals eine Weile Mitglied einer Band, die bei Feten ordentlich einheizt.

Die Doktoranden- und spätere Post-Doc-Phase sei super interessant gewesen. Lehrreich, intensiv, mit unzähligen Zehn-Stunden-Tagen, breit gefächert, und mit den Anknüpfungspunkten zur Industrie schlichtweg mega spannend. „Fotodioden waren meins. Es gab extrem viel zu tun, wie etwa Messlabore aufbauen. Auch die Frage, wie sich Inkjet mit Aerosol Jet Printing verbinden lässt“, gibt Ralph Einblicke in die Forschungslinien der gedruckten und flexiblen Optoelektronik, auf die sich auch seine Dissertation bezog. Das Thema hatte er gemeinsam mit Lichtexperte Gerardo gefunden. „Es waren unendliche Möglichkeiten vorhanden“, so Ralph bilanzierend, „man hatte wirklich Freiheiten und die Herausforderung bestand hauptsächlich darin, zu begründen, dass wir jetzt digital, transparent und flexibel drucken möchten.“

„Nicht immer der Spezialist sein“

Doch irgendwann kam eine Etappe, als sich Industriepartner wie Merck oder die BASF peu à peu von Themen wie OLEDs oder generell der Flüssigproduktion zurückziehen. Das Interesse der Industrie lässt nach. Hinzu sei gekommen, dass er lange im Reinraum mit Ganzkörperanzug im Hauptstudium, als Doktorand und Post-Doc gestanden habe. „Diese Bedingung wollte ich bei mir ändern. Ich wollte nicht immer der Spezialist sein, sondern über den Tellerrand schauen und für mich etwas Neues suchen“, erklärt Ralph seine Gedankengänge, die ihn damals beschäftigten.

Wie dem auch sei: Die fabelhafte Episode am InnovationLab endet im Sommer 2017. Dr. Ralph Eckstein, Magna cum Laude, sucht sich einen Job in der etablierten Industrie und landet als Application Engineer bei Allegro Microsystems in Heidelberg. Der Entwickler und Hersteller von integrierten Schaltkreisen ist vornehmlich in der Automobilbranche tätig und spezialisiert auf Hochleistungs-Sensor-ICs wie Hall-Effekt-Sensoren für die Automobilindustrie. Nach zwei Monaten erfolgt die Zäsur. Warum? „Ich hatte mit Analysen für Machbarkeitsstudien zu tun – also wieder viel Simulation und zu viel Laborarbeit. Ich verbuche es als wertvolle Erfahrung.“

Ab November 2017 landete er bei Dentsply Sirona, einem großen Dentalunternehmen mit weltweit rund 16.200 Mitarbeitern. Die Fusion zwischen der 1899 gegründeten Firma Dentsply und der ehemaligen Siemenstochter Sirona Dental Systems war im Februar 2016 offiziell erfolgt. Ralph ist einer von rund 4.000 Mitarbeitern und Entwicklern am Standort Bensheim und fungiert dort knapp dreieinhalb Jahre lang als Projektmanager für extraorale Röntgengeräte, mit denen Zähne, Gebissstellung, Zahnwurzeln, Nervkanäle etc. untersucht werden. Es reicht bis hin zu 3D-Panoramaaufnahmen vom Gebiss. Dentsply Sirona hat eine eigene Produktionslinie in Bensheim, Ralph bekommt es neben der Produktion mit Produkt- und Risikomanagement, Hardware- und Software-Entwicklung, Regulatorik, Controlling sowie Zulassungsbehörden zu tun. „Du hast es mit verschiedenen Menschentypen, mit Leuten aus der Produktion als auch mit  Softwareentwicklern zu tun und versuchst alle Fäden zusammenzuführen und am Ende ein Produkt tatsächlich auf die Straße zu bringen“, schildert Ralph das facettenreiche Aufgabenprofil.

Auszeit vom anspruchsvollen Job bei Dentsply Sirona: Am liebsten ist Ralph mit der vierköpfigen Familie und mit seiner Hündin "Charlie" unterwegs. Bild: InnovationLab

Neuausrichtung bei Dentsply Sirona

In Corona-Zeiten entscheidet sich das Unternehmen zu einer Neuausrichtung. Neue Entwicklungsmethoden werden eingeführt und „kein Stein auf dem anderen gelassen“. Dazu gehört ebenfalls, dass sich Domänen und Rollen stark verändern. Aus dem bisherigen Unternehmen wird quasi eine agile Matrixorganisation mit Fokus auf Cloud-Anwendungen. „Überspitzt formuliert kennt eine solche Organisation keine klassischen Projektleiter mehr“, sagt Ralph. Im Zuge der erwähnten Umstrukturierungen erhält er als Product Owner eine neue Herausforderung. Bei einer agilen, inkrementellen Entwicklung ist ein Produkt nie wirklich fertig. Die Produktentwicklung wird stetig gechallenged, inkrementell verbessert, es wird kurzfristig geplant, um schnell reagieren zu können. „Aktuell geht es um eine cloudbasierte Serviceanwendung, heißt Daten, die wir für den Zustand des Geräts und die Serviceoptimierung nutzen“, erfahren wir über seinen Arbeitsalltag. Ob Röntgengeräte, Schleifmaschinen für Kronen, Scanner für digitale Zahnabdrücke oder 3D-Drucker – das Dentalunternehmen aus Bensheim kann vieles. Und die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass man beim Zahnarzt seines Vertrauens auf einem Sirona-Stuhl als Behandlungseinheit sitzt.

Ein bisschen etwas von InnovationLab

Dentsply Sirona beliefert auch Labore, zahnärztliche Zusammenschlüsse und Dachorganisationen, insbesondere in den USA, unterm Strich sind freilich Zahnärzte die Enduser. Bei reichlich vorhandenen Prozessen in der Eigenentwicklung lässt sich augenzwinkernd behaupten: Ein bisschen von „InnovationLab“ steckt im Portfolio von Dentsply Sirona mit drin.

Was kann jemand wie Ralph Eckstein seinen Nachfolgern am iL in Heidelberg aus seiner heutigen Perspektive raten? Er könne die Talentschmiede nur jedem „ans Herz legen“. Zusatzqualifikationen und Soft Skills, wie Projektmanagement, Arbeiten im Team, Konfliktmanagement und Planungsstrategien sind immens wichtig – alle Puzzleteile gehören dazu und greifen im Hinblick auf eine spätere berufliche Karriere ineinander. Die einfachen und grundsätzlichen Fragen hält Ralph für einen zentralen Aspekt: Wie läuft das Projekt? Wen und was brauche ich dafür? Mit welchen Materialien arbeite ich? Welche Zeit und wieviele Wiederholungen benötige ich? Was will ich damit machen? Vom gewünschten Ergebnis oder dem erhofften Ziel her zu denken, ist nie verkehrt. Eben wie bei einem klassischen Projekt.

Was kann iL am Standort mehr und anders machen?

Und was sollte und könnte iL am Standort mehr und anders machen? Die Bereitstellung der Infrastruktur wie damals sei fraglos auch in Zukunft elementar. „Wichtig ist meines Erachtens für iL, die jungen Leute zu unterstützen und sich als Coach zu positionieren. Gerade bei den Soft Skills wie Präsentationen, Seminare und Erwartungsmanagement genauer hinzugucken und sich stets den Blick über den Tellerrand zu bewahren.“ Es ist eine konstruktive Kritik, die Ralph im Nachgang anbringt. „Das wäre cool gewesen, um die iL-Welt noch besser kennenzulernen. Andererseits hat das Networking abseits der rein fachlichen Themen hier immer super funktioniert. Ich würde das wieder so machen. Dieser Spirit und Lernprozess von Menschen, die alle im gleichen Alter sind und Gedanken entwickeln, das zählt“, resümiert Ralph eine Etappe in seiner Vita, die ihn mit gefühlt „ewigen“ iL-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wie Tanja Benedict, Michaela Sauer, Janusz Schinke sowie „Dauergästen“ wie Uli Lemmer, Gerardo Hernandez-Sosa, Marta Ruscello und Tobias Rödlmeier zusammenführte.

Erinnerung an die iL-Zeiten zwischen 2012 und 2017: Ralph beim allseits beliebten Tischkicker. Bild: InnovationLab

Der Mann, den es „immer weiter in den Norden zog“ 

Ein Vorteil für Sympathieträger Ralph: Der 39-Jährige wohnt mit seiner chilenischen Ehefrau Claudia, einer studierten Wirtschaftsingenieurin, und ihren beiden Kindern Emilia (8 Jahre) und Luca (2) in Dossenheim. Der Nachwuchs wächst zweisprachig auf. Deutsch und Spanisch. Inzwischen spricht Luca fließend „Esperanto“, doch dies ist eine ganz andere Geschichte. 

Ralph, der Fächerstädter, den es über Karlsruhe, Barcelona (dort lernte er Claudia kennen), Chile (Industriepraktikum), Heidelberg und Bensheim „immer weiter in den Norden zog“, wie er selbst humorvoll feststellt, ist jederzeit mit seiner Familie am InnovationLab willkommen. Die Wege sind ja nicht weit, die Erinnerungen kurzweilig. Und lohnenswert für alle …      

 

Joachim Klaehn

Head of Communications